Best-Practice-Modell: Mediation in „unverzüglichen“ Kindesentführungsverfahren

Internationale Kindesentführungsfälle durch Eltern bilden die komplexesten und höchst eskalierten Fälle des Familienrechts. Weithin anerkannt ist, dass gerade in diesen Fällen Mediation viele Vorteile hat: sie kann helfen, den Konflikt zwischen Eltern zu de-eskalieren, den Fokus der Eltern auf das Kind zu legen und wechselseitig akzeptierte Lösungen zu finden. In Kindesentführungsfällen, in denen eine Rückführung angeordnet worden ist, kann Mediation eine ‚weiche Landung‘ für das Kind und den Elternteil ermöglichen, indem sie sicherstellt, dass Modalitäten für Kontakt, Wohnverhältnisse, Finanzen und andere Angelegenheiten beschlossen wurden.

Der Schutz des Kindeswohls fordert eine umgehende Lösung von grenzüberschreitenden Kindesentführungsfällen. In Hinblick auf diesen Schutz, der sich in der Vorgabe von „unverzüglichen“ Verfahren unter sowohl der Haager Konvention von 1980 als auch der BRIIa Verordnung widerspiegelt, muss die Mediation mit diesem kurzen Zeitfenster mithalten. Das durch die BRIIa Verordnung festgelegte strikte sechswöchige Zeitfenster, in dem Kindesentführungsverfahren abgeschlossen werden müssen, stellt eine Herausforderung dar, Mediation in diesen engen Zeitplan einzubauen. Weder die BRIIa Verordnung, noch die Neufassung bieten eine Vorgehensweise oder ein Modell, wie RichterIinnen die Einbeziehung von Mediation in den engen Zeitrahmen der Kindesentführungsverfahren unterstützen können. Folglich empfehlen nur wenige RichterInnen in diesen Fällen Eltern in die Mediation, trotz der offensichtlichen Vorteile für das Wohl des Kindes. Die erfolgreichen Erfahrungen mit spezialisierter Mediation in Kindesentführungsfällen in einigen EU-Mitgliedsstaaten haben allerdings gezeigt, dass es möglich ist, Mediation mit kurzer Vorlaufzeit zu organisieren und Hand in Hand mit den Haager Rückführungsverfahren schnell durchzuführen.

Das von AMICABLE geförderte Best-Practice-Modell schlägt Folgendes vor: Zwei (statt einer) Anhörungen werden in Kindesentführungsfällen angesetzt. Ein/e MediatorIn wird zu der ersten Anhörung eingeladen, um die Eltern über Mediationzu informieren. Wenn die Eltern sich offen für Mediation zeigen, wird zwischen den Anhörungen ein intensiver Mediationsprozess von zwei bis drei Tagen stattfinden. Dieses Mediationsmodell erfordert die Kooperation aller Beteiligten in Haager Verfahren: RichterIinnen, Cross-Border-MediatorInnen und Mediations-NGOs, Zentrale Behörden und AnwältInnen der Parteien. Ein solches Modell existiert bereits und wird in leicht varierten Versionen in England und Wales, in den Niederlanden und in Deutschland angewendet.

 

Das AMICABLE-Projekt erkundet, ob dieses Modell in anderen EU-Mitgliedstaaten eingeführt werden kann, zunächst mit Fokus auf den Projektpartnerländern Spanien, Polen und Italien, und untersucht, ob die verfahrensrechtlichen Grundlagen dieser Länder und die notwendigen Mediationsstrukturen das erlauben.